Ein Viertel Beanstandungen geht auf die Nahost-Berichterstattung zurück: Jahresbericht der Ombudsleute der SRG Deutschschweiz

Auch wenn es die Kritikerinnen und Kritiker nicht wahrhaben wollen: Die SRF-Berichterstattung über den Nahost-Krieg im Jahr 2024 war gründlich, beleuchtete fast alle Facetten und war grossmehrheitlich ausgewogen. Ein Viertel der 852 materiell behandelten Beanstandungen im Jahr 2024 betrafen das Thema Nahost.

So unversöhnlich, kompromisslos und dialogverweigernd sich die beiden Kriegsparteien in Nahost gegenüberstehen, so unversöhnlich, kompromisslos und dialogverweigernd war auch der grösste Teil der Eingaben des «pro palästinensischen» und des «pro israelischen» Lagers.

Beide Lager hielten sich in der Anzahl der Beanstandungen ungefähr die Waage. Mehrheitlich fehlte die Bereitschaft, sich mit der anderen Meinung auseinanderzusetzen und in vielen Fällen wurde die eigene Ansicht argumentativ wenig begründet oder konkretisiert. Die Fakten wurden umgedeutet, bis sie zur eigenen Ideologie passten. Die vielen whatsapp-Gruppen und andere Kanäle der Sozialen Medien führten durch die Wiedergabe einseitiger Nachrichten zu vielen (auch anonymen) «Massenbeanstandungen.

Die flächendeckende Berichterstattung durch SRF in allen möglichen Gefässen war grösstenteils sachgerecht. Daran hält die Ombudsstelle trotz der gegenteiligen Überzeugung der Beanstandenden fest. Verstösse gegen das Sachgerechtigkeitsgebot gab es. Aber sie waren die Ausnahme. Besonders kritisch wurde der «Live-Ticker» zum Nahost-Krieg beobachtet. Den per Definition kurz gehaltenen aktuellen Nachrichten ist es zuzuschreiben, dass dort am ehesten Verstösse gegen Art. 4 Abs. 2 des Radio- und Fernsehgesetzes vorkamen. Wenn beispielsweise ein Spital in Gaza durch Israel bombardiert wurde und diese Aktualität bekannt wurde, ist der Titel «Israel bombardiert Hamas-Zentrale in Gaza» nicht sachgerecht, auch wenn in den folgenden Zeilen dann genannt wurde, dass diese Information von der israelischen Regierung stammte. Zum Zeitpunkt des Angriffs stand nicht fest, dass es sich wirklich um eine Hamas-Zentrale handelte.

Noch zwei weitere Ausland-Themen führten zu überdurchschnittlich vielen Beanstandungen: Die US-Präsidentenwahl und die politischen Entwicklungen in Deutschland, insbesondere der Umgang mit der AfD. SRF hat sich entsprechend des Auftrags zur objektiven Berichterstattung in der Interpretation der Wahlergebnisse in den USA und in Deutschland zurückgehalten. Allerdings gehört es zu einer differenzierten Berichterstattung, auch den Stil und den Auftritt Trumps zu beschreiben. Provokationen, Polarisierungen, sexistische Bemerkungen des Präsidenten und gewisse personelle Nominationen sind ebenso zu nennen wie die Berichterstattung über seine umstrittenen wirtschaftlichen und aussenpolitischen Pläne, ohne dass SRF die Wahl Trumps in Zweifel gezogen hätte.

Ähnliches gilt für die Wahlen in Deutschland. Wann immer im Zusammenhang mit der demokratisch gewählten AfD der Begriff «rechtsextrem» fiel, gingen Beanstandungen ein, die forderten, dass «SRF neutral und objektiv berichtet und keine politische Stellung bezieht». In der Wahl der Begrifflichkeit muss SRF weder neutral noch objektiv sein. Die Begriffe müssen einfach zutreffen. Mehrere Gerichte in verschiedenen Bundesländern haben Klagen der AfD gegen die Einstufung als «rechtsextrem» bzw. «rechtsextremer Verdachtsfall» zurückgewiesen. SRF hat diese Begriffe differenziert verwendet, die fremdenfeindlichen und teilweise gar antisemitischen Positionen aber nicht verschwiegen. Auch das gehört zum Informationsauftrag des öffentlichen Senders.

Im Berichtsjahr hat die Ombudsstelle 1145 Eingaben erreicht. 293 waren keine Ombudsfälle, weil sie Kritik an Publikationen äusserten, welche nicht die für die Ombudsstelle massgeblichen Gesetzesbestimmungen betrafen. Von den 852 materiell behandelten Eingaben (Vorjahr: 836) wurden 8,7 Prozent der Ombudsfälle (Vorjahr: 5 Prozent) ganz oder teilweise unterstützt und betrafen vor allem Video, Online und Kanäle der Sozialen Medien. Denn entsprechend dem Medienverhalten werden auch die Aktivitäten von SRF in den Sozialen Medien immer stärker beachtet.

Auch wenn wie in allen Jahren zuvor die Informationssendungen am häufigsten beanstandet wurden, kann SRF auf grosse Beachtung auch anderer Publikationsformen- und Gefässe zählen. Was für seine Vielfalt spricht, die offenbar auch wahrgenommen wird. So beispielsweise «1 gegen 100», das «Wort zum Sonntag» oder «Schwiiz und dütlich».

Die Ombudsstelle hat gegenüber den Redaktionen keine Weisungsbefugnis, hat aber nicht selten eine Empfehlung ausgesprochen. Nämlich dann, wenn weder ein Grundrecht noch das Sachgerechtigkeitsgebot gemäss Art. 4 Abs. 1 und 2 des Radio- und Fernsehgesetzes verletzt, aber doch gravierende Ungenauigkeiten oder Unterlassungen begangen wurden.

Seit dem 1. März 2024 führen Esther Girsberger und Urs Hofmann die Ombudsstelle in Co-Leitung, nachdem die Amtszeit von Kurt Schöbi Ende Februar 2024 abgelaufen ist und er sich entschieden hat, keine zweite Amtsperiode anzutreten. Die Co-Leitung bewährt sich auch unter der neuen personellen Zusammensetzung. Die beiden Ombudsleute, die zusammen ein 140-Prozent-Pensum ausüben, tauschen sich regelmässig aus, besprechen die Beanstandungen und zeichnen gemeinsam für alle Schlussberichte. Sie führen ihre Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen und mit der gehörigen Sorgfalt aus. In der Überzeugung, dass SRF sich um fundierte, gut recherchierte Beiträge bemüht, eine dem Service public entsprechende Vielfalt bietet und sich in erster Linie der unabhängigen Information und nicht den klickgetriebenen Inhalten verpflichtet fühlt.

Zahlenmaterial, Grafiken und den vollständigen Jahresbericht der Ombudsstelle finden sich auf: www.ombudsstellesrgd.ch / über uns / Publikationen

Über die Ombudsstelle SRG.D

Die Ombudsstelle als Institution gibt es im Rundfunkbereich seit 1992. Sie dient erstens dazu, dem Publikum direkt und unkompliziert zu kontaktierende Ansprechpartner:innen zur Verfügung zu stellen. Zweitens fungiert sie als Vermittlungsinstanz vor dem Begehen des Rechtswegs. Und drittens entlastet sie die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI). So war und ist auch die Ombudsstelle der SRG.D gleichzeitig offenes Ohr für die Anliegen des Publikums und Verteidigerin der Pressefreiheit.

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Text: SRG.D

Bild: SRG.D

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