Ombudsfall: «Arena» war nicht sachgerecht

Gegen die «Arena»-Sendung vom 12. Juni 2020 mit dem Titel «Jetzt reden wir Schwarzen» sind 212 Beanstandungen eingegangen. Die Ombudsstelle kommt zum Schluss, dass die Sendung nicht sachgerecht gewesen ist.

Die Ermordung von George Floyd und die darauffolgenden Proteste in den USA hatten auch Auswirkungen auf die Schweiz: Auch hier gab es Demonstrationen und das Thema Rassismus wurde und wird wieder verstärkt diskutiert. Die «Arena» widmete dem Thema am 12. Juni eine Sendung. Nach Aussage der Redaktion ging es darum, nicht nur über, sondern vor allem auch mit Betroffenen zu sprechen.

Breite Kritik

Die Sendung hat insbesondere aufgrund des Titels «Jetzt reden wir Schwarzen» in Verbindung mit der Auswahl der Gäste für Kritik gesorgt. Denn insbesondere in der sogenannten Hauptrunde war der Komiker Kiko die einzige Schwarze Person. Daneben standen in der Runde neben Moderator Sandro Brotz die SVP-Nationalrätin und Polizistin Andrea Geissbühler, SP-Nationalrätin Samira Marti sowie James Foley, der Sprecher von Republican Overseas Switzerland.

Auch der Inhalt der Sendung wurde von den Beanstanderinnen und Beanstandern stark kritisiert. So sei die Existenz von Rassismus in der Schweiz angezweifelt worden, anstatt dass eine ernsthafte Diskussion über Rassismus habe stattfinden können. Rassistischen Stereotypen sei nicht widersprochen worden – es sei zudem zweimal das «N-Wort» explizit erwähnt worden.

Es gibt Rassismus in der Schweiz

«Rassismus! Bei uns in der Schweiz? Ja, es gibt ihn.» Dies war die Eingangsmoderation von Sandro Brotz. Rassismus – so die Redaktion – sei also nicht angezweifelt, sondern gleich zu Beginn der Sendung als Fakt explizit festgehalten worden. Dieses Statement sei im Verlauf der Sendung mit Beispielen und Grafiken verdeutlicht worden. Vom Gebrauch des «N-Worts» habe sich Moderator Brotz explizit distanziert – auch wenn das Wort während der Sendung nur als Illustration eines Missstandes und nicht als Bezeichnung von Personen oder Personengruppen verwendet worden sei.

Missglückter Titel

Die Redaktion stellt sich in Bezug auf die Gästeauswahl auf den Standpunkt, dass sie ausgeglichen gewesen sei. Durch Gäste in der zweiten Reihe wie Angela Addo (Juso-Mitglied und Mitorganisatorin Kundgebung «Black Lives Matter») und Gabriella Binkert (Präsidentin SVP Val Müstair) sowie durch Gespräche mit Zugeschalteten waren insgesamt mehr Schwarze Personen Teil der Sendung als Weisse. Dennoch sei der Titel missglückt, weil er offensichtlich beim Publikum eine andere Erwartungshaltung ausgelöst habe.

Die Auswahl begründet die Redaktion grundsätzlich mit dem Format der Sendung. Die «Arena» stünde für kontroverse, aber faire und möglichst ausgewogene Diskussionen. Die Redaktion der «Arena» habe sich entsprechend auch um eine faire und ausgewogene Gästerunde bemüht, in der möglichst alle wichtigen Stimmen zum Thema zu Wort kommen. Nach Meinung der Redaktion ging es in der Sendung vom 12. Juni einerseits um Rassismus in der Schweiz mit Fokus auf Polizeigewalt und Racial Profiling, andererseits aber auch um die Lage in den USA vor den Präsidentschaftswahlen und nach dem brutalen Tod von George Floyd und den darauffolgenden Protesten gegen Rassismus – auch in der Schweiz. Hinzugekommen sei, dass die «Arena» immer wieder Vertreter*innen der Zivilgesellschaft sowie sogenannte Betroffene habe zu Wort kommen lassen.

In ihrer Beurteilung der Sendung hält die Ombudsstelle zu Beginn fest, dass sie als Schlichtungsstelle nur auf Verletzungen von Art. 4 und 5 des Radio- und Fernsehgesetzes (RTVG) eingehen kann. Insbesondere geht es um die Achtung der Grundrechte, um die angemessene Darstellung der Vielfalt der Ereignisse und Ansichten sowie um die Sachgerechtigkeit, damit sich das Publikum eine eigene Meinung bilden kann.

Vorprogrammiertes Misslingen

Die Titelsetzung, das Setting, die Auswahl der Gäste, die Animationen und die Fragestellungen liessen erahnen, dass die Sendung gar nicht gelingen konnte. Nach Meinung der Ombudsstelle wollten die Sendungsverantwortlichen zu viele mögliche Themen rund um die Geschehnisse in den USA und deren weltweiten Folgen behandeln. Es war nicht klar, worüber die «Schwarzen» aus dem Sendungstitel sprechen würden. Angetönt wurden in der Folge die verschiedensten Probleme: Polizeigewalt, Proteste in den USA, der Schweiz und in anderen Ländern, um nur einige zu nennen. Auch die eingangs gestellte Frage «Was ist mit Rassismus in der Schweiz?» war unklar. Was heisst «Was»? Sollte man darüber sprechen, ob es in der Schweiz Rassismus gibt? Oder welchen Rassismus es in der Schweiz gibt? Schliesslich: Ging es um die Vergleichbarkeit (des Rassismus) in den USA und der Schweiz?

Nicht sachgerecht

Die Ombudspersonen kommen zum Schluss, dass die «Arena» vom 12. Juni 2020 nicht sachgerecht war. Denn der Titel «Jetzt reden wir Schwarzen» weckt klar die Erwartung, dass Schwarze Menschen reden, und zwar ausschliesslich. Auch die zahlreichen angetönten Themen wurden nicht sachgerecht erörtert. Denn jedes Thema hätte eine jeweils anders bestückte Runde vorausgesetzt. Dies gilt insbesondere auch für das Thema Rassismus. «Wäre über Rassismus diskutiert worden, hätte man die Fakten einordnen müssen, die weitgehend fehlten», schreibt die Ombudsstelle. Rassismus muss nach Meinung der Ombudspersonen als strukturelles Problem diskutiert werden. In der Sendung wurden aber hauptsächlich persönliche Erfahrungen eingebracht und die Bedeutung der zahlreichen Fakten wurden in ihrer Bedeutung kaum eingeordnet. Wenn die Schwarzen Gäste auf ihre persönlichen Erfahrungen reduziert werden, wird dadurch eine vertiefte Diskussion über Rassismus erschwert bis verunmöglicht.

Unwidersprochene Äusserung

Hinsichtlich des Sprachgebrauchs während der Sendung differenziert die Ombudsstelle. So habe sich Moderator Brotz tatsächlich explizit vom Gebrauch des «N-Worts» distanziert. Dies hinderte einzelne Gäste jedoch nicht daran, den Begriff wieder zu verwenden. Es fielen noch weitere Voten, die beispielsweise rassistische Stereotypen bedienten. Dies sei bei der Zusammensetzung der Runde nicht zu verhindern gewesen. Die Ombudspersonen heben jedoch insbesondere eine Äusserung von James Foley hervor, die unberechtigterweise unwidersprochen geblieben ist. Foley sagte an Angela Addo gerichtet: «Sie haben kein Recht, nicht beleidigt zu werden, c’est la vie». Diese Aussage ritzt zumindest das Antirassismus-Gesetz, so dass sie durch den Moderator hätte gemassregelt werden müssen.

Zu den Begrifflichkeiten

Sowohl die Redaktion der «Arena» als auch die Ombudsstelle verwenden im Schlussbericht nach Rücksprache mit der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR) die Begriffe «schwarze Menschen» bzw. als Personengruppe «Schwarze» sowie «Rassismus gegenüber Schwarzen». Die Geschäftsstelle der SRG Deutschschweiz behält sich vor, in Anlehnung an das Glossar für diskriminierungssensible Sprache von Amnesty International, die Schreibweise «Schwarze Menschen» zu verwenden.

Text: SRG.D/lh

Bild: Illustration Cleverclip

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