«Loverboys»-Bericht im «Echo der Zeit» war sachgerecht

Der Verein ACT212 gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung kritisiert den «Echo der Zeit»-Beitrag «Loverboys». Es geht um junge Männer, die Teenager die grosse Liebe vorgaukeln und sie gezielt in die Prostitution zwingen. Der Bericht sei tendenziös und falsch. Die Ombudsstelle vermittelt.

Im «Echo der Zeit» vom 13. Mai 2020 wurde ein Beitrag zum Phänomen der «Loverboys» gesendet. «Loverboys» sind Menschenhändler und Zuhälter, die oft selbst noch Teenager sind. Hauptsächlich über Chatrooms in den sozialen Medien kontaktieren sie junge Mädchen und gaukeln ihnen die grosse Liebe vor. Sie geben ihnen Zuwendung und Geschenke, sondern sie aber gleichzeitig zunehmend von Freunden und Familie ab und machen sie so gezielt von sich abhängig. Ist diese Abhängigkeit erst einmal erreicht, führt der Loverboy sein Opfer Schritt für Schritt in die Prostitution, macht Sexfilme mit ihm oder verleitet es dazu, Straftaten zu begehen.

Die Spitze des Eisbergs?

Das «Echo der Zeit» ging im Beitrag der Frage nach, wie gross das Problem in der Schweiz tatsächlich ist und legte damit aufgrund der Aktualität «Das Phänomen wirft Wellen, auch in der Fachwelt» den Fokus der Sendung fest. Bereits an der Einführungsmoderation des Beitrags störte sich der Verein ACT212, der im Beitrag selbst ebenfalls zu Wort gekommen ist. Der Titel des Beitrags «Das Problem der ‹Loverboys› - wird das Thema hochgekocht?» suggeriere, dass ACT212 das Problem grösser machen wolle, als es eigentlich sei. Denn Fakt sei, dass ACT212 als junge, nationale Meldestelle bis dato zahlreiche Meldungen im Zusammenhang mit Menschenhandel entgegengenommen habe und dabei feststellen musste, dass sich die Loverboy-Meldungen häufen. Es sei ausserdem allgemein bekannt, dass im Bereich der Bekämpfung von Menschenhandel wohl stets nur die Spitze des Eisbergs zu sehen sei.
Kritisiert wurde auch der Schluss des Beitrags, wo die Frage aufgeworfen wird, ob die Aufmerksamkeit, die das Thema «Loverboys» erfährt eher den Opfern nützt oder der Organisation, die das Thema bewirtschaftet. Dies ist nach Meinung der Beanstander eine Unterstellung.

Falschdarstellung des Vereins

Im Beitrag sei zudem der Verein falsch dargestellt worden. Einerseits sei die Bezeichnung «Berner Verein» falsch. Die Organisation habe zwar ihren Sitz in Bern, sei aber schweizweit aktiv. Weiter sei die Aussage, dass im Vorstand mehrheitlich Mitglieder evangelikaler Organisationen und nicht Expert*innen für Menschenhandel sitzen würden, falsch und rufschädigend. Es sei irrelevant, welcher Konfession oder Religion die Mitglieder angehörten und andererseits setze sich der Vorstand sehr wohl aus fachlichen Expert*innen zusammen.

Kritik als Aufgabe

Die Redaktion weist in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass die Datenlage «sehr dünn» sei – was vermutlich auch mit der begrifflichen Unschärfe des «Loverboys» zu tun hat. Gleichzeitig gäbe es in der Schweiz bislang keine einzige Verurteilung und nur wenige Strafuntersuchungen. Bei den Opferhilfestellen liessen sich die Fälle «an einer Hand abzählen», wie es im Beitrag heisst. Daraus leite sich die Frage ab, ob man warten soll, bis die Opfer da sind, oder ob Präventions- und Sensibilisierungsmassnahmen, wie sie ACT212 tätigt, jetzt gemacht werden sollen, damit es gar nie zu Opfern kommt.
Der Beitrag sei durchaus kritisch, schreibt die Redaktion weiter – diese Kontrollfunktion gehöre denn auch zur Aufgabe der Medien.

Kein Verstoss feststellbar

In ihrer Beurteilung der Sendung kommt die Ombudsstelle zum Schluss, dass keine Verstösse gegen das Sachgerechtigkeitsgebot gemäss Art.4 des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG vorliegen und unterstützt daher die Beanstandung nicht. So sei die schweizweite Aktivität des Vereins im Beitrag keineswegs unterschlagen worden – auch sei die Bezeichnung «evangelikal» nicht rufschädigend, wenngleich die Ombudspersonen der Kritik insofern recht geben, als dass die Religionszugehörigkeit in Bezug auf die Fragestellung der beanstandeten Sendung nicht relevant sei. Rufschädigung käme nur in Frage, wenn behauptet würde, dass die evangelikalen Organisationen einen schlechten Ruf hätten.

Zahlen und Indizien dürften nach Meinung der Ombudsstelle nicht ganz ignoriert werden – auch wenn die Datenlage dünn ist. Im Fall der «Loverboys» sei daher die Frage nach der effektiven Grösse des Problems durchaus angebracht. Insgesamt hätte man den Schwerpunkt der Sendung zwar sicher auch woanders legen können. Diese Entscheidungsfreiheit liege jedoch gesetzlich bei der Redaktion.

Text: SRG.D/lh

Bild: Illustration Cleverclip

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