Ombudsfall: «Tagesschau» verletzte Menschenwürde nicht

Von der Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr sind Menschen dispensiert, die aus medizinischen Gründen keine Maske aufsetzen können. Ein Zuschauer machte die Missachtung der Grundrechte und Menschenwürde geltend, weil ein Cerebral-Gelähmter zur Maskenpflicht befragt wurde. Die «Tagesschau» hat aber korrekt berichtet.

Im beanstanden Beitrag vom 6. Juli 2020 ging es ums «Reisen mit Handicap», so die Formulierung in der Moderation. Der befragte Reisende im öffentlichen Verkehr war der Vizepräsident der Vereinigung Cerebral Schweiz. Inhaltlich ging es um die Ausnahmen von der Maskentragepflicht. Der Beanstander machte geltend, der Befragte sei offensichtlich nicht in der Lage, die Maske selbständig anzulegen und es widerspreche der Menschenwürde, ihn zu interviewen.

Massenmediale Randerscheinung

Die Ombudsstelle sieht das anders: Menschen mit Behinderung sind Teil der Gesellschaft ebenso wie Personen ohne Behinderung. Dennoch sind sie in den Massenmedien eine Randerscheinung – es sei denn, ein Thema lasse sich medial gut vermarkten. Betroffene haben deshalb durchaus Interesse, dass die Gesellschaft ein unverkrampftes Verhältnis mit behinderten Menschen entwickelt. Ein Medium wie das öffentliche Fernsehen ist dabei eine wichtige Informationsquelle, um über das Leben und die Möglichkeiten von Menschen mit einer Behinderung zu berichten. Eine «Tagesschau»-Berichterstattung, wie sie am 6. Juli 2020 erfolgte, trägt genau dazu bei, dass ein entspannteres Verhältnis zu behinderten Menschen geschaffen werden kann.

Löbliche Ausnahme

Wenn in den Medien über behinderte Menschen berichtet wird, dominieren die Beiträge über prominente Persönlichkeiten oder Sportler, die mit Leistung beeindrucken. Ansonsten werden vor allem Rollenbilder gezeigt, die über Emotionen wie Bewunderung oder Mitleid wirken. Die «gewöhnliche» Darstellung von Menschen mit Behinderungen kommt selten vor. Der monierte «Tagesschau»-Beitrag bildete hier eine löbliche Ausnahme. Der Befragte wird nicht «vorgeführt», sondern umschreibt seine Situation mit eigenen Worten. Es versteht sich denn auch von selbst, dass ein so langes Gespräch mit einem behinderten Menschen auf freiwilliger Basis erfolgte. Kein Wunder auch, dass die Reaktionen auf diesen Beitrag gerade aus dem Kreis von beeinträchtigten Menschen sehr positiv ausfielen.

Text: SRG.D/eg

Bild: Illustration Cleverclip

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