«Echo der Zeit» berichtete zulässig über Berg-Karabach
Gegen den «Echo der Zeit»-Beitrag «Grosses Eskalationspotenzial im Südkaukasus» vom 2. November 2020 gingen mehrere Beanstandungen ein. SRF habe «Kriegs-Propaganda» betrieben, lautet einer der Vorwürfe. Die Ombudsstelle beurteilt den Fall anders.
SRF berichtete im Herbst 2020 mehrfach über den wieder aufgeflammten Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien. Im «Echo der Zeit» wurde am 2. November 2020 die aserbaidschanische Perspektive auf die Streitigkeiten beleuchtet.
Gegen den Beitrag «Grosses Eskalationspotenzial im Südkaukasus» gingen drei Beanstandungen ein. In erster Linie warfen die Kritiker der Redaktion eine Verletzung der Sorgfaltspflicht, beziehungsweise einseitige Berichterstattung vor. Es wurde kritisiert, dass im Beitrag lediglich der Chefberater des aserbaidschanischen Präsidenten zu Wort komme, während sich die Gegenseite nicht habe äussern können. Auch internationale Organisationen wie die UNO und andere Menschenrechtsorganisationen, das IKRK oder Historikerinnen hätten nach Meinung eines Beanstanders im Beitrag vertreten sein müssen. Alle drei Kritiker weisen darauf hin, dass Aserbaidschan der Aggressor im Konflikt sei. Weil SRF im betreffenden «Echo der Zeit»-Beitrag nur die «Lügen von Aserbaidschan» präsentiert habe, sei das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt worden.
Einer der Beanstander weist zudem noch auf Fehler in Bildlegenden in der Online-Berichterstattung hin. So seien ein Ort und eine Fahne falsch beschriftet worden.
Breite Berichterstattung
In ihrer Stellungnahme verweist die Redaktion darauf, dass SRF in den Wochen seit Beginn des Konflikts etliche Male über den Konflikt in Berg-Karabach berichtet habe. Dies sei sowohl mittels Kurznachrichten, als auch durch ausführliche Berichte gemacht worden. Dabei wurden auch die historischen Hintergründe des Konflikts erklärt, die Konfliktlage dargestellt und die Positionen von Drittstaaten sowie die Bemühungen der UNO miteinbezogen. In diesen Beiträgen bevorzugte SRF weder die eine noch die andere der fundamental voneinander abweichenden Sichtweisen.
Eine Perspektive pro Bericht
Im Beitrag «Grosses Eskalationspotenzial im Südkaukasus» habe man jedoch einen anderen, gemäss den publizistischen Leitlinien zulässigen und journalistisch weit verbreiteten Zugang zum Thema gewählt. In zwei Beiträgen wurde je eine Perspektive der direkt involvierten Parteien auf den Konflikt beleuchtet. Die armenische am 29. Oktober, die aserbaidschanische am 2. November im beanstandeten Beitrag. Dabei sei in beiden Fällen klar gemacht worden, dass es nicht um ein möglichst objektives Abwägen ging, sondern darum, die aserbaidschanische, beziehungsweise armenische Argumentationsweise sichtbar zu machen. Die beiden Beiträge wurden auch miteinander verknüpft, indem in der Sendung vom 2. November auf den Beitrag vom 29. Oktober zurückverwiesen wurde. Die Redaktion kommt daher zum Schluss, dass beide Seiten in vergleichbarer Weise zu Wort gekommen seien.
Vielfaltsgebot erfüllt
Aus Sicht der Ombudsstelle ist es klar, dass die Berichterstattung über einen Krieg nicht auf einen Beitrag reduziert werden kann. Vielmehr müssen alle Beiträge miteinbezogen werden. Daher sei es zulässig, wenn ein einzelner Beitrag einseitig berichte – dies verletze die journalistische Sorgfaltspflicht nicht. Gemäss Art. 4 Abs. 4 des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG müssen konzessionierte Programme wie SRF in der Gesamtheit ihrer redaktionellen Sendungen die Vielfalt der Ereignisse und Ansichten angemessen zum Ausdruck bringen.
Ein Blick auf die Berichterstattung von SRF aus den vorangegangenen Monaten zeige zudem, dass die Forderung nach Vielfalt erfüllt worden sei.
Weitere SRF-Beiträge zum Berg-Karabach-Konflikt (unvollständige Liste)
Weitere SRF-Beiträge zum Berg-Karabach-Konflikt (unvollständige Liste)
«Tagesschau» vom 27. November 2020
«Berg-Karabach-Konflikt: Hunderte armenische Soldaten vermisst»
Auch zwei Wochen nach Unterzeichnung des Waffenstillstands in Berg-Karabach ist immer noch nicht klar, wie viele Soldaten umgekommen sind, wie viele noch am Leben und wie viele in Gefangenschaft sind.
«10vor10» vom 19. November 2020
«Junge Armenier hadern mit ihrer Zukunft»
Weite Teile der Südkaukasusregion um Bergkarabach sollen künftig von Aserbaidschan kontrolliert werden. Viele Armenierinnen und Armenier werden wohl nicht in ihre Häuser zurückkehren können.
«Tagesschau» vom 17. November 2020
«Berg-Karabach: Armenier fühlen sich verraten»
Das Waffenstillstandsabkommen für Berg-Karabach sorgt weiterhin für Unruhen in der Region. Die Menschen in Armenien fühlen sich verraten.
«Tagesschau» vom 15. November 2020
«Konflikt um Berg-Karabach: Der Verlust religiöser Stätten»
Armenien muss ein erstes umkämpftes Gebiet an Aserbaidschan übergeben. Viele Armenierinnen und Armenier müssen sich von ihrer Heimat und auch den Klöstern und Kirchen in der Region verabschieden.
«Rendez-vous» vom 11. November 2020
«Armenien hadert mit der Waffenruhe»
In Bergkarabach gilt seit Dienstag eine Waffenruhe. Aserbaidschan hat grosse Teile der Region erobert. Das Gebiet gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, auch wenn es mehrheitlich von Armeniern bewohnt ist. Armenien muss den Verlust wohl oder übel akzeptieren. Gespräch mit der Journalistin Silvia Stöber.
«Tagesschau» vom 10. November 2020
«Einigung auf Waffenruhe in Bergkarabach»
Armenien und Aserbeidschan haben sich auf ein Ende aller Kampfhandlungen geeinigt. Für Armenien kommt die von Russland vermittelte Vereinbarung einer Niederlage gleich.
«Echo der Zeit» vom 2. November 2020
«Grosses Eskalationspotential im Südkaukasus»
Der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan wird seit ein paar Wochen wieder mit Waffen ausgetragen. Armenien fürchtet sich vor einem neuen Völkermord. Wie argumentiert die aserbaidschanische Seite? Gespräch mit dem Chefberater des aserbaidschanischen Präsidenten
«Echo der Zeit» vom 29. Oktober 2020
«Forderung um Anerkennung der Republik Karabach»
Den aserbaidschanischen Truppen könnte es bald gelingen, Berg-Karabach zu isolieren und die letzte, wichtigste Verbindung des bergigen Gebietes zu Armenien zu kappen. Wie reagiert man in Armenien und in der armenischen Diaspora auf diese bedrohliche Situation?
«Echo der Zeit» vom 7. Oktober 2020
«Bergkarabach und die Rolle der Türkei»
Dass die Türkei im Hintergrund der neusten Gefechte zwischen Aserbeidschan und Armenien im Kaukasus eine Rolle spielt, daran besteht kein Zweifel. Doch welche Ziele verfolgt die Türkei in Bergkarabach?
«10vor10» vom 2. Oktober 2020
«Heikle Beziehung: Die Schweiz profitiert von Aserbaidschan»
Aserbaidschan ist eine der Parteien des Konflikts bei Berg-Karabach – und gilt als korruptes Land. Seit Jahren steht es dennoch im Fokus der Schweizer Wirtschaft. Ist das vertretbar?
«Echo der Zeit» vom 29. September 2020
«Eskalation im Kaukasus»
In der Region Bergkarabach sind bei Kämpfen gemäss armenischen Angaben auf armenischer Seite mehr als 100 Menschen getötet worden. Die Türkei soll ein armenisches Kampflugzeug abgeschossen haben. Der Pilot sei dabei getötet worden.
«Rendez-vous» vom 28. September 2020 um 12:30 Uhr
«Wem gehört Bergkarabach?»
Bergkarabach ist militärisch besetzt von Armenien, wird aber ebenso beansprucht von Aserbaidschan. Seit Samstagnacht sollen bei Gefechten auf beiden Seiten Dutzende Menschen getötet worden sein. Ist jetzt klarer, wer für die jüngste Eskalation verantwortlich ist?
Hinsichtlich des kritisierten Beitrags verweist die Ombudsstelle zudem auf das kritische Fazit der Journalistin am Ende des Gesprächs mit dem Chefberater des Aserbaidschanischen Präsidenten. So sagte sie: «Es ist offensichtlich: Beide Seiten, Aserbaidschan und Armenien sind in einer Spirale der Gewalt gefangen. Ein Ende des Blutvergiessens scheint kaum denkbar. Im Gegenteil: Das Gespräch mit dem aserbaidschanischen Präsidentenberater hat gezeigt, dieser Krieg hat das Potential, noch weiter zu eskalieren.» Aus diesen Zeilen – so die Ombudsstelle – sei viel Kritik zu lesen.
Die Ombudspersonen kommen daher zum Schluss, dass kein Verstoss gegen das Sachgerechtigkeitsgebot vorliegt. Die falsch beschrifteten Bilder in der Online-Berichterstattung hat die Redaktion schon früh korrigiert.
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