«Arena» zum Verhüllungsverbot: unbefriedigend, aber gesetzeskonform

Gegen die «Arena» über die Initiative für ein Verhüllungsverbot, über die am 7. März 2021 abgestimmt wird, sind 27 Beanstandungen eingegangen: Die Sendung sei nicht sachgerecht gewesen. Programmverletzungen liegen bei aller berechtigten Kritik aus Sicht der Ombudsstelle nicht vor.

Am 29. Januar strahlte SRF eine «Arena»-Sendung mit dem Titel «Burka verbieten – Probleme gelöst?» aus. Es handelte sich dabei nicht um eine klassische Abstimmungs-«Arena» wie sie jeweils kurz vor den Abstimmungssonntagen (in diesem Fall war das die «Arena» vom 26. Februar 2021) veranstaltet wird. Während dort die Hauptrunde üblicherweise ausschliesslich mit Leuten aus der Politik besetzt wird, standen am 29. Januar 2021 sowohl Vertreterinnen und Vertreter der Politik als auch der Religion neben Moderator Sandro Brotz. Es waren dies auf der Pro-Seite SVP-Nationalrat und Co-Präsident des Initiativkomitees Walter Wobmann sowie Saïda Keller-Messahli als Vertreterin der überparteilichen Gruppe «Frauenrechte ja» und Präsidentin des «Forums für einen fortschrittlichen Islam». Auf der Kontra-Seite waren in der Hauptrunde Susanne Vincenz-Stauffacher, FDP-Nationalrätin und Präsidentin der FDP-Frauen sowie SP-Nationalrat Fabian Molina vertreten. Da es sich um eine Sendung zu einem Abstimmungsthema handelte, die innerhalb derjenigen Frist stattfand, in der gemäss den publizistischen Leitlinien von SRF eine erhöhte Sorgfaltspflicht gilt, wurden die Redezeiten der beiden Lager gestoppt.

Kritik an Gast und Moderator

Die Beanstanderinnen und Beanstander sind der Auffassung, die Einladung von Saïda Keller-Messahli sei ein Verstoss gegen das Sachgerechtigkeitsgebot, da sie die Muslime in der Schweiz nicht repräsentiere und deren Lebensumstände nicht sachgerecht darstelle. Ausserdem beanstanden sie das Verhalten von Frau Keller-Messahli in der Sendung im Allgemeinen und im Besonderen den Umstand, dass sie andere Gäste – ohne Einschreiten des Moderators – unterbrochen habe und mit Abstand am meisten Redezeit erhalten hätte. Des Weiteren beanstanden sie die Aussage von Frau Keller-Messahli, auch Frauen, die ein Kopftuch tragen würden, seien Vertreterinnen des «politischen Islams» als nicht sachgerecht. Ebenso sehen die Beanstanderinnen und Beanstander in Bezug auf die letztgenannte Aussage die Grundrechte und die Menschenwürde verletzt: Aus ihrer Sicht muss man sich in einem freiheitlichen Staat nicht dafür rechtfertigen, wenn man von seinen Grundrechten Gebrauch macht wie z.B. die Bedeckung der Haare im Sinne der Religionsfreiheit.

Zu guter Letzt kritisieren einige Beanstanderinnen und Beanstander den Umstand, dass in der Arena generell über ein potenzielles Verhüllungs-Verbot, das auch ein Verbot von Burka und Niqab beinhalten würde, debattiert wird. In diesem Zusammenhang wird auch kritisiert, die Sendung habe sich vom Hauptthema entfernt und es sei schliesslich nur noch um den Islam gegangen.

Komplexe Aufgabe

In ihrer Stellungnahme zeichnet die Redaktion ausführlich die Überlegungen nach, die zur finalen Gästewahl für die «Arena» vom 29. Januar geführt haben. Sie zeigt auf, wie vielfältig die Musliminnen und Muslime in der Schweiz sind und dass es sehr schwer ist, Gäste zu finden, von denen sich alle repräsentiert fühlen. Die Einladung von Saïda Keller-Messahli begründet die Redaktion damit, dass sie sich seit langem engagiert mit dem Thema auseinandersetze.

Ausgewogene Redezeiten

In Bezug auf die Unausgewogenheit hinsichtlich der Redezeit des Pro-Lagers widerspricht die Redaktion den Kritikerinnen und Kritikern: Während das Pro-Lager insgesamt auf eine Redezeit von 28:56 Minuten gekommen sei, habe die Kontra-Seite während 30 Minuten 17 Sekunden sprechen können. Dabei verneint die Redaktion nicht, dass Frau Keller-Messahli unter Umständen als Gesprächsteilnehmerin hervorstach und auf ihrer Seite einen hohen Redeanteil hatte, allerdings werde dadurch das Sachgerechtigkeitsgebot nicht verletzt.

Gegenseite konnte reagieren

Die von Keller-Messahli gemachte Aussage über den Zusammenhang des Kopftuchs mit dem «politischen Islam» wurde von vielen Beanstanderinnen und Beanstandern kritisiert. In Bezug auf den Vorwurf, Moderator Brotz hätte insbesondere nach dieser Aussage Keller-Messahlis einschreiten müssen, kommt die Redaktion zum Schluss, dass auch hier das Sachgerechtigkeitsgebot nicht missachtet worden sei. Die Redaktion begründet diese Haltung mit der Tatsache, dass Fathima Ifthikar, eine Muslima, die selbst Kopftuch trägt sowie Farhad Afshar als Präsident der KIOS in der Sendung unmittelbar auf diese Aussage reagieren konnten. Auch insgesamt habe Sandro Brotz die Gesprächsführung keineswegs aus der Hand gegeben und auch immer wieder interveniert. Eine vollständige Kontrolle der Aussagen der Gäste sei zudem in einer Diskussionssendung schlicht nicht zu gewährleisten.

Weiter verweist die Redaktion auf die Bundesverfassung wie auch auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die in der Schweiz natürlich ihre Gültigkeit haben. Dies bedeute aber nicht, dass keine politische Debatte über dieses Thema geführt werden dürfe. Daher weist sie auch den Vorwurf einer Verletzung der Grundrechte und Menschenwürde zurück.

Positionsbedingtes Ungleichgewicht

In ihrer Beurteilung der Sendung kommt die Ombudsstelle zum Schluss, dass hinsichtlich der Positionierung der Gäste keine Gesetzesverletzungen vorliegen, obwohl die Zusammensetzung nicht glücklich war. Die «Hauptrunde», das heisst die vier Personen an den vorderen Stehpulten, kämen durch die Positionierung häufiger zu Wort. In diesem Fall waren diese Plätze durch Frau Keller-Messahli – deren grundsätzliche Teilnahme seitens der Ombudsstelle nicht infrage gestellt wird – sowie die Politikerinnen und Politiker Wobmann, Vincenz-Stauffacher und Molina besetzt. Farhad Afshar und Fathima Ifthikar wurden in die «zweite Reihe» gesetzt, wodurch ein Ungleichgewicht entstand. Hätte es sich um eine «Abstimmungs-Arena» gehandelt, hätte in der Hauptrunde gemäss Auffassung der Ombudsstelle entsprechend der religiös-politisch gewichteten Abstimmungsvorlage die Zusammensetzung anders aussehen müssen, indem in der Hauptrunde je eine Pro- und Contra-Vertretung des Islams zu Wort gekommen wäre.

Die Zusammensetzung der Runde liegt in der redaktionellen Verantwortung. Im Unterschied zu regulären Sendungen nimmt die Redaktion jedoch bei der Zusammensetzung der Gästerunden bei Abstimmungssendungen Rücksicht auf die Wünsche der Komitees beider Seiten. Ziel ist es, dass sich beide Lager so gut wie möglich vertreten fühlen. Im vorliegenden Fall hätte sich allenfalls die Frage gestellt, was unter diesen Voraussetzungen höher zu gewichten wäre: Dass die beiden Personen mit gleichem Hintergrund auf der jeweiligen Seite an der gleichen Position (Hauptrunde/Loge) diskutieren, oder aber dass sich beide Seiten so gut wie möglich vertreten fühlen. Da es sich wie erwähnt nicht um eine Abstimmungs-Arena gehandelt hatte, spielt dieser Entscheid in den Augen der Ombudsleute hier keine Rolle.

Hinsichtlich der Unausgewogenheit der Sprechzeiten folgen die Ombudspersonen den Argumenten der Redaktion: Auch wenn Frau Keller-Messahli verhältnismässig viel Sprechzeit für sich beanspruchte – insgesamt hielten sich die Pro- und Kontra-Wortmeldungen die Waage.

Nötiges Einschreiten unterlassen

Inhaltlich bezieht sich die Ombudsstelle vor allem auf die Aussage von Frau Keller-Messahli, nach der sich eine Muslimin öffentlich nicht als solche zu erkennen geben solle. In der freiheitlichen Schweiz dürfe sehr wohl erkennbar sein, welchen religiösen Glauben man verfolgt. Gemäss der Bundesverfassung Art. 15 hat jede Person «das Recht, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen.» Es wäre wünschenswert gewesen, dass eine gegen dieses elementare Grundrecht verstossende Aussage korrigiert worden wäre, zumal dies ein zentraler Punkt für die Meinungsbildung hinsichtlich der Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbots» ist. Nur: Das Bundesgericht unterscheidet zwischen Informations- und Diskussionssendungen. Eine Diskussionssendung müsse anders beurteilt werden als eine Informationssendung, da der Einfluss der Redaktion auf den Inhalt reduziert sei. Mit anderen Worten: In einer Diskussionssendung kann der Moderator im Einzelnen nicht bestimmen, was die Gäste sagen. Er kann zwar nachfragen, unterbrechen oder widersprechen. Aber er kann nicht verhindern, dass die Teilnehmenden auch Behauptungen aufstellen, die nicht oder nur teilweise wahr sind.

Insgesamt erachtet die Ombudsstelle die Kritik der Beanstanderinnen und Beanstander als substanziell und bezeichnet die beanstandete «Arena»-Sendung «von der Zusammensetzung und dementsprechend von der inhaltlichen Gewichtung her als nicht wirklich gelungen». Es sei auch offensichtlich, dass die in der Sendung aufgetretenen Islam-Experten und -Expertinnen nicht alle in der Schweiz lebenden Muslime vertreten, was allerdings auch nicht leicht einzulösen gewesen wäre. Trotz dieser Kritik ist nach Meinung der Ombudsstelle aber kein Verstoss gegen die einschlägigen Gesetzesbestimmungen festzustellen.

Text: SRG.D/lh

Bild: SRG.D/Illustration Cleverclip

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