Haltlose Kritik an «True life»
Die SRF-Sendung «True life» vom 9. Dezember 2020 habe Rassismus eine Plattform geboten und sei gewaltverherrlichend. Die Vorwürfe erweisen sich jedoch als haltlos.
Im Zentrum des dokumentarischen Formats «True Life» steht jeweils eine Person, die aufgrund ihres Berufs, ihres Hobbys, ihrer Herkunft, Religion oder gewisser Eigenschaften mit Vorurteilen konfrontiert ist. In jeder Folge gibt diese Person Einblick in ihr Leben, ihren Alltag und ihre Gefühlswelt. Es geht also um eine subjektive Sichtweise auf die Welt.
Plattform für Rassismus?
Gegen die Ausgabe der Sendung vom 9. Dezember 2020 mit dem Titel «Saeed kämpft für ein normales Leben» ging eine Beanstandung ein. Einer der Hauptkritikpunkte ist, dass die Episode eine Plattform für rassistische Aussagen geboten habe. Der Beanstander stützt sich auf eine Szene, in der Plakate zu sehen sind, die für eine Demonstration gegen die Lebensbedingungen von Menschen im Asylverfahren beschriftet wurden. Eines trägt die Aufschrift «SEM HAS TO STOPP FORCE FULL DEPORTATION». Der Vorwurf, die Schweiz deportiere Menschen, so wie es im Zweiten Weltkrieg geschehen ist, sei rassistisch, findet der Beanstander. Ausserdem sei die Sendung gewaltverherrlichend, weil der Fokus von SRF auf dem gewaltsamen Vorgehen der Polizei gegen die friedliche, aber unbewilligte Demo lag, anstatt die, nach Meinung des Beanstanders, vorausgegangene Gewalt der Demonstrierenden. Dem Protagonisten der Sendung unterstellt der Beanstander «extremistische Gesinnung» und findet, man solle ihn nicht als «Asylbewerber» sondern als «illegaler Aufenthalter» bezeichnen, da sein Gesuch abgelehnt worden sei.
Einblick in ein Leben
Die Redaktion weist in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass die Person und ihre persönliche Meinung im Fokus von «True Life» stehen. In diesem Format geht es nicht um die umfassende und ausgewogene Darstellung eines bestimmten Sachverhalts. Daher gibt es auch keinen Off-Kommentar und keine Diskussion auf einer Meta-Ebene.
Im vorliegenden Fall war das Ziel der Sendung, einen Einblick in das Leben und die Gefühlswelt eines jungen Menschen zu geben, der in einem Rückkehrzentrum leben muss. Dabei ist aus Sicht der Redaktion klar ersichtlich, dass die Aussagen die persönliche Meinung der gezeigten Protagonisten widerspiegeln.
Weit entfernt von Extremismus und Rassismus
Den Vorwurf, dem Rassismus Plattform geboten zu haben, weist die Redaktion vehement von sich. Gezeigt wurde eine Demonstration für ein Anliegen, dass alles andere als rassistisch ist. Der Begriff «deportation» auf dem Plakat sei zudem Englisch. Auf Deutsch übersetzt, bedeute das «Abschiebung». Der Vergleich des Beanstanders sei daher unzulässig.
Auch den Vorwurf der Gewaltverherrlichung weist die Redaktion zurück. Es sei deutlich, dass sich Saeed und seine Mitstreiter nicht an die Anweisungen der Polizei hielten und diese die zuvor kommunizierten Massnahmen umsetzten. Es liege also im Auge des Betrachters, die gezeigte Reaktion der Polizei als angemessen oder unangemessen zu interpretieren. Eine Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration sei zudem weit entfernt von Extremismus.
Saed bleibt «Asylsuchender»
Die Ombudspersonen halten die Einschätzungen der Redaktion für angemessen und richtig. Die beanstandete Sendung sei weder eine Plattform für Rassismus, noch sei sie gewaltverherrlichend. Auch hinsichtlich der Begrifflichkeiten stützen sie die Argumentation der Redaktion. Es stimme zwar, dass Saeds Antrag auf Asyl abgelehnt worden sei, jedoch bleibe er sehr wohl ein «Asylsuchender».
Die Ombudsstelle betont den subjektiven Charakter des Formats. Die vorliegende Umsetzung von «True Life» liegt innerhalb der journalistischen Gestaltungsfreiheit, weshalb kein Verstoss gegen Art. 4 des Radio- und Fernsehgesetzes erkennbar sei.
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