«Tagesschau» zu Hochwasser: Keine Angstmacherei
Gegen einen Beitrag der «Tagesschau» vom 22. Februar 2021 zum Thema Hochwasser im Zusammenhang mit AKW ging eine Beanstandung ein. Der Vorwurf lautet, SRF wolle Ängste schüren. Die Ombudsstelle ist völlig anderer Meinung.
Im «Tagesschau»-Beitrag «Schutz gegen Hochwasser bei Schweizer Nuklearanlagen» ging es um eine neue Studie des Bundes zur Gefährdung von Schweizer Nuklear-Anlagen durch mögliche Hochwasser-Ereignisse. In der Studie ging es spezifisch um die Frage, wie stark ein AKW von extremem Hochwasser betroffen wäre. Da es sich dabei um ein sehr seltenes Ereignis handelt, wurde in der Studie mit sehr hohen Wiederkehrperioden von bis zu 100 000 Jahren gerechnet.
«Theoretisch in etwa 50,000 Jahren»
Gegen diesen Beitrag ging eine Beanstandung ein. Im Beitrag sei nicht erwähnt worden, dass in der Studie mit so grossen Zeitintervallen gerechnet worden ist und ein Ereignis, wie es im Beitrag skizziert wurde, extrem unwahrscheinlich sei. Es könne schliesslich «theoretisch in etwa 50,000 Jahren eintreten».
Im Beitrag wurde gezeigt, dass sich die Wassermenge der Aare im Extremfall verzwölffachen könne. Dies hätte zur Folge, dass das Kraftwerk Mühleberg (das sich inzwischen im Rückbau befindet) einen Meter, der Bahnhof Olten sogar über drei Meter unter Wasser stehen würden. Auch daran störte sich die Beanstanderin. Der Wasserstand beim Bahnhof Olten hat ihrer Meinung nach nichts mit den Kraftwerken zu tun. Sie unterstellt der Redaktion, Ängste vor AKW-Unfällen schüren zu wollen.
Rein statistischer Wert
In ihrer Stellungnahme betont die Redaktion, dass eine Wiederkehrperiode ein rein statistischer Wert ist. Das bedeutet: Auch wenn die Wahrscheinlichkeit sehr klein sei, könne ein Ereignis mit einer Wiederkehrperiode von 100 000 Jahren schon morgen eintreten.
Seltener Extremfall
Es sei korrekt, dass im beanstandeten Beitrag nicht auf die hohe Wiederkehrperiode hingewiesen worden sei. Nach Ansicht der Redaktion wären solche Angaben in der Kürze eines News-Beitrags unter Umständen missverständlich. Eine solche Vertiefung wäre in einem Wissenschaftsmagazin sinnvoll. In einer Newssendung gehe es jedoch darum, den Kern einer Studie zu vermitteln und die Ergebnisse einzuordnen. Daher sei bewusst die Formulierung «extreme Hochwasser» gewählt worden. Dies mache deutlich, dass es sich gerade nicht um Hochwasser im uns bekannten Sinne gehe, sondern eben um den seltenen Extremfall.
Meinungsbildung möglich
Zum Vorwurf in Bezug auf den extremen Hochwasserstand beim Bahnhof Olten schreibt die Redaktion, dass dieser Vergleichswert direkt der Studie entnommen sei. Ausserdem sei diese Aussage nicht gewertet worden. Das Publikum konnte sich also eine eigene Meinung bilden.
Auch den Vorwurf, Ängste zu schüren, weist die Redaktion zurück und belegt das mit den Aussagen des Direktors des Nuklearsicherheitsinspektorats aus dem Beitrag. Dieser schlage aufgrund der Studie nicht Alarm, sondern halte fest, dass die AKW «relativ gut» dastünden und es noch offen sei, ob es Anpassungen brauche.
Begründeter Verzicht
Die Ombudsstelle weist darauf hin, dass die Studie die Basis für die Beurteilung der Gefährdung durch Extremhochwasser liefere und dass sie aufgrund der Katastrophe von Fukushima initiiert worden sei. Dort sei deutlich geworden, wie verheerend sich seltene Naturkatastrophen auf Atomkraftwerke auswirken könnten. Die Redaktion habe zu Recht darauf verzichtet auf die Berechnungsgrundlage hinzuweisen, da diese Fehlschlüsse provozieren könnten. Dies zeige sich auch bei der Beanstanderin, die fälschlicherweise annehme, dass ein solchermassen geschildertes Extremereignis «erst theoretisch in etwa 50 000 Jahren eintreten» könne. Es ist – so die Ombudsstelle – vielmehr schon heute möglich.
Der Beitrag schüre keineswegs Ängste vor AKW-Unfällen, sondern lege vielmehr den Schluss nahe, dass man in der Schweiz die AKW-Sicherheit sehr ernst nimmt und aus Katastrophen wie Fukushima Lehren zieht. Die Ombudsstelle kann daher keine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots gemäss Art. 4 Abs. 2 des Radio- und Fernsehgesetzes feststellen und unterstützt die Beanstandung nicht.
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