«Echo der Zeit»: Framing in Bericht über Gaza?

Am 19. April 2022 berichtete die politische Hintergrundsendung «Echo der Zeit» über die aktuelle Situation in der Gaza-Region. Ein Beanstander bemängelte die Reportage der Auslandkorrespondentin Susanne Brunner als tendenziös und sprach von «Framing».

Als «Framing» wird in einem medialen Kontext bezeichnet, wenn bestimmte Aspekte einer Realität ausgewählt und in einem Beitrag so hervorgehoben werden, dass bestimmte Interpretationen oder moralische Bewertungen für das Publikum gefördert werden. Diesen Begriff verwendete ein Beanstander in seiner Kritik, nachdem Susanne Brunner in einer Reportage über die aktuelle Situation in Gaza berichtet hatte. Er zeigte sich erstaunt über die «tendenziöse Berichterstattung» und fragte gar, ob die Auslandkorrespondentin «ein grundsätzliches Problem mit Menschen jüdischer Abstammung» habe.

Darum ging es im Beitrag

Susanne Brunner hatte rund ein Jahr nach dem jüngsten Gaza-Krieg beidseits der Grenze mit Betroffenen gesprochen und sie ihre Situation schildern lassen. Auf israelischer Seite, in der nur wenige Kilometer vom Gazastreifen entfernten und immer wieder von dort beschossenen Stadt Aschkelon, kamen dabei ein Feuerwehrsprecher, eine Bürgerin und ein Bürger zu Wort.

«Mit den Händen über unseren Köpfen müssen wir uns hinlegen. Dann wieder aufstehen, Brand bekämpfen, beim nächsten Alarm wieder hinlegen. Just letztes Jahr lösten Raketen und andere Angriffe aus Gaza 245 Brände aus, sagt Tom Goldstein. Die meisten während des Krieges im Mai. [...] . An die Raketen aus Gaza könne und wolle sie sich nicht gewöhnen, sagt Jaffa. [...] Während des Krieges im vergangenen Mai feuerte die Hamas in Gaza 950 Raketen auf Aschkelon. Davon wurden 75 nicht abgefangen. Zwei Menschen wurden damals getötet. [...] Richard glaubt nicht daran, dass die Gewalt hier je ein Ende haben werde.[...]»

Anschliessend äusserten auch auf palästinensischer Seite Betroffene ihre Sichtweise. Sie sprachen von den Gegenangriffen von israelischer Seite und von zerstörten Träumen.

«Eines Nachts gab es hier vor diesen Läden plötzlich eine große Explosion und dann ganz viele Bomben, erinnert sich der 23-jährige Karam Samu. [...] Unsere Träume, wurden zerstört. In Gaza gibt es keine Hoffnung mehr, sagt der junge Mann.[...] Die Terrororganisation Hamas habe unter Wohnquartieren ein Tunnelsystem gebaut, wo sie Kämpfer und Waffen verstecke. So begründete Israel die Bombardierung von Wohnquartieren in Beit Hanoun und Gaza Stadt im letzten Mai. Dabei wurden rund 250 Menschen getötet. [...]»

Die Redaktion widerspricht deshalb der Beanstandung und dem Vorwurf, der Beitrag sei tendenziös. Beide Seiten kämen im Beitrag durch Betroffene zu Wort. Beide gelangten letztlich zu einem ähnlich tristen Befund. Die Autorin selbst verzichte auf eine eigene Kommentierung, sondern lasse ihre Gesprächspartner sprechen.

Eindrücke von beiden Seiten

Gleichzeitig wehrt sich die Redaktion in aller Entschiedenheit gegen die Unterstellung des Beanstanders, die Korrespondentin habe ein «grundsätzliches Problem mit Menschen jüdischer Abstammung». Er formuliere sie zwar als Frage, aber dennoch werde klar, was er damit meine. Gerade auch der von ihm kritisierte Bericht widerlege eine solche Aussage. Susanne Brunner gebe beiden Seiten fair und vorurteilslos Raum, ihre Eindrücke, ihre Sicht der Dinge und ihre Befindlichkeit zu schildern.

Diese Einschätzung unterstützt die Ombdusstelle. Beide Seiten berichten von ihrem Alltag in Angst und davon, dass sie sich zwar nicht daran gewöhnen wollen, aber doch nicht daran glauben, dass die Gewalt «hier» je ein Ende haben werde. Eine tendenziöse Berichterstattung stellen die Ombudsleute deshalb nicht fest. Im Zentrum stehen die Angst und Hoffnungslosigkeit auf beiden Seiten, eine «Schuldzuweisung» findet nicht statt, auch keine «tendenzielle». Weshalb Susanne Brunner ein Problem mit Menschen jüdischer Abstammung haben sollte, entbehrt jeglicher Grundlage. Einen Verstoss gegen Art. 4 des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG kann die Ombudsstelle nicht feststellen.

Beitrag «Echo der Zeit» vom 19. April 2022

Text: SRG.D/df

Bild: SRG.D/Illustration Cleverclip

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