Jahresbericht Ombudsleute: Breiteres Angebot – breitere Beanstandungspalette

Das Spektrum an produziertem Inhalt von SRF wird immer breiter. Die neuen Gefässe, die vielfältige Verbreitung der Beiträge und das Community-Building führen bei aller Zustimmung auch zu Kritik bei den SRF-Konsumierenden. Im Jahr 2022 gingen 988 Beanstandungen ein, wobei 226 Schreiben nach genauerer Prüfung den Anforderungen an eine Beanstandung nicht genügten.

Redaktionelle «Vermischung» der Gefässe

Das Spektrum an produziertem Inhalt von SRF wird immer breiter. Es werden neue Gefässe geschaffen und die «Wertschöpfungskette» verlängert sich: Der Inhalt der «traditionellen» Sendungen in den sozialen Medien wird so angepasst, dass er auch ein Publikum erreicht, das die linearen Sendungen nicht konsumiert. Die Ombudsstelle attestiert den redaktionellen Verantwortlichen bei diesen anspruchsvollen Anpassungen einen hohen, gut umgesetzten Qualitätsanspruch. Gerade weil das lineare Radio und Fernsehen immer häufiger ergänzt und angereichert wird, etwa in Online-Beiträgen oder durch die sozialen Medien, gehen aber häufiger Beanstandungen ein, die sich gegen diese redaktionelle inhaltliche «Vermischung» richten – teilweise, weil die Absicht dahinter nicht verstanden wird.

Insgesamt wurden Beanstandungen zu 23 Sendungen teilweise oder ganz gutgeheissen. Am häufigsten kritisiert wurden auch im Jahr 2022 immer noch Informationssendungen wie «Tagesschau», «10vor10», «Rundschau» und «Echo der Zeit». Die Zusammensetzung der «Arena»-Runden wird wegen mangelnder Ausgewogenheit immer wieder moniert, allerdings praktisch durchgehend zu Unrecht. Die am 18. März 2022 ausgestrahlte «Arena»-Sendung, an der unter anderem SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi teilnahm und die in der Öffentlichkeit grosse Aufmerksamkeit bekam, wurde allerdings von der UBI entgegen der Einschätzung der Ombudsstelle als nicht sachgerecht beurteilt. Nicht wegen der Zusammensetzung, sondern wegen der nicht sachgerechten Vorverurteilung des Politikers durch den Moderator.

Neue Gefässe wie «rec.» oder «We, Myself & Why» sind für viele SRF-Konsumierende gewöhnungsbedürftig. Die Journalist:innen zeigen bei solchen Gefässen bewusst Nähe zu den Interviewten, was von den Beanstander:innen als mangelnde Distanz kritisiert wird. Hier zeigt sich ein gewisser «Clash» zwischen den Generationen. Ein Teil des älteren Publikums kann sich mit den neuen Gefässen und den neuen Nutzungsverbreitungen nicht anfreunden. Denn diese führen auch zu einer journalistisch veränderten Erarbeitung und Aufarbeitung von Themen. Dementsprechend häufig kommt es zu Beanstandungen.

Ukraine-Berichterstattung durchgehend korrekt, nicht aber die über den F-35

Inhaltlich wurde die umfassende Berichterstattung zum Ukraine-Krieg häufig moniert. Die meisten der Beanstander:innen zeigen Verständnis für Russlands Motive im Ukraine-Krieg bzw. verteidigen oder entschuldigen die russische Sichtweise argumentativ. In keinem Fall hatte die Ombudsstelle eine unsorgfältige oder unausgewogene Berichterstattung festzustellen. Ganz im Gegenteil: SRF berichtet faktengetreu über die Geschehnisse des Krieges seit Ausbruch am 24. Februar 2022. Zu Wort kommen regelmässig beide Kriegsparteien sowie weitere Akteure der Politik und Expert:innen.

Qualitativ und quantitativ sorgten vor allem zwei Beiträge über die Beschaffung des Kampffliegers F-35 für Empörung. Zum einen «Bomber der Lüfte: Der neue Kampfjet und sein Auftrag» der «Rundschau»-Redaktion und von «SRF Investigativ» vom 2. Februar 2022. Es gingen 131 Beanstandungen ein. Ebenso wurde der «Echo der Zeit»-Beitrag vom 15. September 2022 von Radio SRF mit der Überschrift «Kampfjet F-35 darf trotz Volksinitiative abheben» – im Online-Beitrag lautete der Titel «Kampfjet F-35 – Volksrechte werden gegroundet» – sechs Mal beanstandet. Beide Beiträge verletzten nach Auffassung der Ombudsstelle teilweise das Sachgerechtigkeitsgebot.

Kommentare fallen neu in die Zuständigkeit der Ombudsstelle

Durch den Bundesgerichtsentscheid vom 29. November 2022 wurde der Aufgabenbereich der Ombudsstelle erheblich ausgeweitet. Viele Beanstander:innen wenden sich wegen nicht veröffentlichter oder gelöschter Kommentare an die Ombudsstelle. Bis anhin traten die Ombudsstelle und auch die nachgelagerte Gerichtsbehörde, die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI), nicht auf solche Beanstandungen ein, da die Löschung bzw. Nichtaufschaltung von Kommentaren nach bisheriger Praxis unter die «Netiquette» fiel und deshalb nicht als redaktioneller Beitrag bei der Ombudsstelle kritisiert werden konnte. Nachdem eine Beanstanderin deswegen ans Bundesgericht gelangt war, urteilte dieses am 29. November, dass die bisherige Praxis rechtswidrig sei. Es kommt zum Schluss, dass es sich bei der Kommentarlöschung um einen redaktionellen Beitrag handelt, weil die Löschung ebenfalls ein wertender redaktioneller (wohl gestalterischer) Akt sei, auch wenn sich dieser Akt gegen einen nutzergenerierten (und nicht gegen einen redaktionsgenerierten) Inhalt richtet. Posts und Nutzerkommentare würden eine «funktionale Einheit» bilden und es bestehe kein genügender anderer Rechtsschutz für Beschwerden dagegen. Deshalb muss die Ombudsstelle seither auch Löschungen und Nichtaufschaltungen von Kommentaren behandeln.

Zahlenmaterial, Grafiken und den vollständigen Jahresbericht der Ombudsstelle finden sich hier.

Über die Ombudsstelle der SRG Deutschschweiz

Die Ombudsstelle als Institution gibt es im Rundfunkbereich seit 1992. Sie dient erstens dazu, dem Publikum direkt und unkompliziert zu kontaktierende Ansprechpartner:innen zur Verfügung zu stellen. Zweitens fungiert sie als Vermittlungsinstanz vor dem Begehen des Rechtswegs. Und drittens entlastet sie die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI). So war und ist auch die Ombudsstelle der SRG.D gleichzeitig offenes Ohr für die Anliegen des Publikums und Verteidigerin der Pressefreiheit.

Text: Ombudsstelle SRG Deutschschweiz

Bild: Stephan Lütolf/SRG Deutschschweiz

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