Übersetzungsfehler in der «Tagesschau» führt zu Beanstandung

Ein Beanstander kritisiert die «Tagesschau» Spätausgabe vom 10. Juni 2023 für einen Übersetzungsfehler. Im beanstandeten Beitrag werde berichtet, dass die Trump-Anhänger bezüglich des US-Justiz-Systems von einer «weaponisation» durch die Biden-Regierung sprechen. Dies werde im vorliegenden Kontext unzutreffend mit «Bewaffnung» übersetzt.

Im Fokus des beanstandeten Beitrags der «Tagesschau» stand der erste öffentliche Auftritt von Donald Trump seit der Anklage wegen geheimer Dokumente, die er rechtswidrig zuhause aufbewahrt haben soll. Der Auftritt fand im Rahmen des innerparteilichen republikanischen Wahlkampfs um die Kandidatur für die US-Präsidentschaft 2024 statt. In seiner Rede verwendete Trump in Zusammenhang mit dem US-Justiz-System und der aktuellen Regierung das Wort «weaponisation», das die «Tagesschau» wörtlich mit «Bewaffnung» übersetzte: «Sie werfen der Gegenseite eine ‹weaponisation› vor, eine Bewaffnung». Anschliessend werde gesagt, der Vorwurf der Trump-Anhänger sei seltsam und realitätsfern.

Der Beanstander ist der Ansicht, der Begriff «weaponisation» sei sehr schlecht übersetzt worden. Es gehe um keine Bewaffnung, sondern die Trump-Anhänger würden der aktuellen Regierung vorwerfen, das Justiz-System als Waffe gegen Trump zu missbrauchen. Durch diese schlechte Übersetzung würden den Zuschauenden Informationen fehlen, um sich eine eigene Meinung bilden zu können.

Etwas unglückliche Übersetzung

Die «Tagesschau»-Redaktion räumt ein, dass es sich mit «Bewaffnung» in der Tat um eine etwas unglückliche Übersetzung handle. Im vorliegenden Kontext scheine «als Waffe benutzen» die bessere Übersetzung zu sein. Die Trump-Anhängerinnen und -anhänger würden den mehrdeutigen Begriff jedoch durchaus bewusst verwenden. Die Botschaft laute, wenn die US-Regierung sich bewaffne, dürften das die Trump-Anhängerinnen und -anhänger auch. Mit dem Begriff bediene das Trump-Lager das Wutgefühl der eigenen Anhängerinnen und Anhängern, so die Redaktion.

Weiter schreibt die Redaktion: Egal ob Trump-Anhänger nun sprichwörtlich oder wortwörtlich an eine «weaponisation» glauben, würden sie der Biden-Regierung vorwerfen, mit fragwürdigen oder gar unlauteren Methoden gegen Donald Trump vorzugehen. Dies würde im «Tagesschau»-Beitrag so klar. Die Redaktion ist der Ansicht, dass die gewählte Übersetzung die Meinungsbildung nicht verfälscht habe. Sie verweisen darauf, dass es laut UBI einer gewissen Intensität bedürfe, um das Sachgerechtigkeitsgebot zu verletzen.

Kontext fehlt

Die Ombudsleute stimmen zwar der Auffassung zu, dass Trump-Anhängerinnen und -anhänger überzeugt seien, die Biden-Regierung gehe mit fragwürdigen oder gar unlauteren Methoden gegen Trump vor. Jedoch widersprechen sie der Redaktion bei der Gewichtung der Übersetzung. Es handle sich nicht nur um einen möglichen Übersetzungsmangel, sondern es fehle die meinungsbildende Kontextualisierung. Um Missverständnisse zu vermeiden, wäre eine genauere Erklärung des Begriffs «weaponisation» nötig gewesen, so die Ombudsleute.

Entgegen der Meinung der Redaktion halten die Ombudsleute weiter fest, für die Beurteilung, ob eine Verletzung der Sachgerechtigkeit vorliege, sei die Einschätzung der Intensität im vorliegenden Fall irrelevant. Denn die Beurteilung betreffe eine Kernaussage, die meinungsbildend sei.

Zur im Beitrag gemachten Einordnung, dass der Vorwurf des Trump-Lagers seltsam und realitätsfremd sei, schreiben die Ombudsleute: Wenn «weaponisation» so verstanden werde, dass die Justiz als Waffe missbraucht werde, könne «realitätsfremd» je nach Sichtweise noch zutreffend sein. Der Vorwurf könne aber nicht als «seltsam» bezeichnet werden, denn aus Sicht von Trump und seinen Anhängern sei diese Argumentation nachvollziehbar und logisch.

Die Ombudsleute teilen den Eindruck des Beanstanders und stellen eine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots des Radio- und Fernsehgesetzes fest.

«Tagesschau» Spätausgabe vom 10. Juni 2023

Text: SRG.D/ae

Bild: SRG.D/Cleverclip

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