Kritik an Mundartrubrik «Schwiiz und dütlich» – Redaktion entschuldigt sich
Im SRF-Audioformat für Sprachthemen wird im Beitrag zum Begriff «spanifle» die Jenische Sprache mit «Gaunersprache» gleichgesetzt. Dies sei diskriminierend und verbreite Vorurteile, monierten über 30 Beanstander:innen bei der Ombudsstelle. Die Redaktion bereut die Aussage und produziert den Beitrag neu.
Darum geht es in der beanstandeten Sendung
Im Audioformat «Schwiiz und dütlich» werden täglich kurze Beiträge zu Sprachthemen publiziert. In der beanstandeten Sendung geht es um die Herkunft des Begriffs «spanifle». Der alte Begriff hat seinen Ursprung unter anderem in der jenischen Sprache und dem Jagd-Jargon.
«Schwiiz und dütlich» vom 9. Mai 2024
Was wird beanstandet?
In der ursprünglichen Fassung sagte der zuständige Redaktor zur Quellenwahl: «Am meisten hat mir das Jenische Wörterbuch geholfen, weil ‹spanifle› ein Begriff aus der Gaunersprache ist.» Daraufhin gingen über 30 Beanstandungen bei der Ombudsstelle ein, welche diese Gleichsetzung von jenischer Sprache mit «Gaunersprache» als rassistisch, diskriminierend und demütigend kritisierten.
Gerade in der Schweiz sei dies problematisch, da sie an die Jahrhunderte dauernden Zeiten der Verfolgung und Ausgrenzungen durch Behörden sowie an die Verbrechen des sogenannten «Hilfswerks für die Kinder der Landstrasse» erinnerten. Die jenische Sprache sei seit 1997 durch die Ratifizierung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitssprachen durch die Schweiz geschützt. 2016 anerkannte die Schweiz zudem die Jenischen als eigenständige kulturelle Minderheit.
Der Beitrag beschädige dieses mühsam aufgebaute Verständnis und forciere die weit verbreiteten Ressentiments, kritisierten die Beanstander:innen.
Was sagt die Redaktion?
Die Redaktion anerkennt, dass der vom zuständigen Redaktor verwendete Wortlaut eine unzulässige kausale Verbindung zwischen dem Jenischen und «Gaunersprache» herstellte. Die Redaktion entschuldigt sich bei den Betroffenen für die Verletzung von Gefühlen, welche der Beitrag bewirkt habe.
Als Ergänzung zur Entschuldigung versucht die Redaktion, den Hergang des «sprachlichen Fauxpas» zu erklären. So habe sich die Redaktion bei der etymologischen Recherche auf das Schweizerdeutsche Wörterbuch (Idiotikon) gestützt. Darin stehe unter dem Eintrag zu «spanife»: «Das Wort stammt aus der Gaunersprache.» Zudem schreibe der Germanisten Otto von Greyerz über Mattenenglisch in der Vierteljahresschrift des Archivs für Volkskunde zum Begriff, er stamme «aus dem Rotwelsch, der alten Geheimsprache der Gauner».
In der älteren Fachliteratur sei «Gaunersprache» also ein Synonym für «Rotwelsch», das wiederum ein Sammelbegriff für Soziolekte historischer, ethnischer oder sozialer Randgruppen darstelle. Unter anderem zähle dazu auch das Jenische. Die Redaktion verweist dabei auf Hansjörg Roths Einleitung des Jenischen Wörterbuchs aus dem Jahr 2001. Darin ist das Jenische als deutsche Sprachvarietät beschrieben, die sich seit dem 18. Jahrhundert aus dem Rotwelschen entwickelt habe.
Die Begriffe «Jenisch», «Rotwelsch» und «Gaunersprache» seien historisch oft nicht sauber getrennt verwendet worden. Dies zu tun habe die Redaktion versäumt, als sie die jenische Sprache mit dem Begriff «Gaunersprache» in einen Kausalzusammenhang brachte. Diese Gleichsetzung sei aber unzulässig, wecke alte Vorurteile und sei verletzend und diskriminierend.
Sowohl der Redakteur als auch die ganze Mundartredaktion seien «zerknirscht, dass sie der veralteten, diskriminierenden Terminologie auf den Leim gegangen sind». Man wolle künftig die Verwendung von sprachwissenschaftlichen Begriffen in älterer Fachliteratur sorgfältiger prüfen. Der Beitrag wurde im Nachhinein neu produziert und online mit einem entsprechenden Hinweis veröffentlicht.
Was sagt die Ombudsstelle?
Die Aussage, «spanifle» sei ein Begriff der «Gaunersprache», sei unzulässig und diskriminierend, schreibt die Ombudsstelle in ihrem Schlussbericht. Dass die Redaktion sich an überalterter Literatur orientiert habe, anstatt Hansjörg Roths «Jenisches Wörterbuch» ausreichend zu konsultieren, räume diese denn auch ein.
Die Redaktion der «Mundartrubrik» arbeite ansonsten sehr sorgfältig, was die Unterlassung besonders bedauerlich mache. Gerade, da sich die offizielle Schweiz in den letzten Jahren vertieft mit der unrühmlichen Rolle auseinandergesetzt hatte, die sie bei der Behandlung der Jenischen spielte.
Die Redaktion habe sich entschuldigt und den Beitrag dementsprechend auch korrigiert. Da die Ombudsstelle den Originalbeitrag zu begutachten hat, stellt sie trotz der Reaktion der Redaktion eine Verletzung von Art. 4 Abs. 1 des Radio- und Fernsehgesetzes fest. Der Originalbeitrag habe die Menschenwürde verletzt und sei diskriminierend. Zudem sei das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt, da der Kausalzusammenhang zwischen «Gaunersprache» und «Jenische Sprache» meinungsverfälschend sei.
Korrektur: Im ursprünglichen Beitrag wurde die Sendung mit falschen Namen («Mundartfabrik» statt «Mundartrubrik») ausgewiesen. Der Text wurde entsprechend angepasst.
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