Ombudsfall zu Sanija Ameti: Sind Grenzüberschreitungen vergleichbar?

«10vor10» fragte in Bezug auf den Fall Sanija Ameti, welche Konsequenzen Politiker:innen nach Fehltritten tragen müssen. Anhand dreier Beispiele zeigt ein Beitrag auf, dass dies von Fall zu Fall sehr unterschiedlich sein kann. Ein Zuschauer sah hierin aber einen unzulässigen Vergleich, der die Tat Ametis verharmlose. Die Kritik sei aber unbegründet, sagt nun die Ombudsstelle

Darum geht es in der beanstandeten Sendung

«10vor10» widmete sich am 9. September im Rahmen eines Hintergrundberichts den (politischen) Folgen für Saija Ameti, nachdem diese in den Sozialen Medien ein Bild von sich gepostet hatte, wie sie mit einer Sportpistole auf ein Bild von Maria mit Jesuskind schoss. Als Konsequenz kündigte die Grünliberalen Partei an, einen Antrag auf Parteiausschluss zu stellen. Der Beitrag geht daraufhin anderen Beispielen von politischen Provokationen nach, die in der Vergangenheit zu öffentlichen Reaktionen führten. Der Beitrag zeigt, wie die Parteien von zwei weiteren Provokateuren – Andreas Glarner (SVP) und Jonas Fricker (Grüne) – auf die jeweiligen Vorfälle reagierten.

Andreas Glarner hatte 2020 die Grüne-Politikerin Sibel Arslan vor laufender Kamera als «Frau Arschlan» betitelt. Später, mitten im nationalen Wahlkampf, hatte er ein KI-Fake-Video von ihr publiziert, in dem die Nationalrätin für die SVP wirbt und sich für die Ausschaffung türkischer Straftäter starkmacht. Glarner wurde dafür von Arslan angezeigt und musste im Anschluss 4000 Franken an Anwalts- und Verfahrenskosten zahlen. Parteipolitisch hatten die Provokationen des SVP-Nationalrats keine unmittelbaren Folgen.

Anders lag der Fall beim Grünen Nationalrat Jonas Fricker. Er hatte in der Debatte zur Fair-Food-Initiative im Parlament gesagt, Juden hätten es unter Hitler besser gehabt als Schweine heute in der Schweiz. Als Reaktion auf die laute Kritik aufgrund dieser Verharmlosung des Holocaust trat Fricker als Nationalrat zurück.

«10vor10» vom 9 September 2024

«Provokation mit Folgen»

Was wird beanstandet?

Es ist die im Beitrag dargestellte Parallelität der drei Vorfälle, die einen Beanstander stören. So sei die Provokation Ametis keinesfalls vergleichbar mit den anderen beiden Vorfällen, insbesondere nicht mit dem «Versprecher» Andreas Glarners. Auch die vom Gericht geahndete Persönlichkeitsverletzung sei ein «Duell» zwischen zwei Nationalrät:innen. Dies mit der gewaltverherrlichenden Aktion Ametis zu vergleichen sei unzulässig. «10vor10» verharmlose dadurch die Schiessprovokation der GLP-Politikerin.

Was sagt die Redaktion?

Die Redaktion weist darauf hin, dass sowohl die Verunglimpfung von Sibel Arslan, die neben ihrem Namen und ihrer Person im O-Ton auch ihre kurdische Herkunft betraf, keinesfalls eine normale Auseinandersetzung zwischen zwei Politiker:innen war. Diese Aussage sei offensichtlich diskriminierend gewesen.

Weiter habe Arslan für die Klage gegen das KI-Fake-Video recht erhalten. Glarner sei also, im Gegensatz zu Ameti und Fricker – für seine Handlungen verurteilt. Trotzdem sei er der Einzige, dessen Handlungen keine Konsequenzen nach sich zogen.

Im Beitrag würden sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede zwischen den dargestellten Fällen erläutert. Die Politologin Sarah Bütikofer ordne die Fälle sachlich und unabhängig ein. Die Darstellung der ausgewählten politischen Grenzüberschreitungen sei im Rahmen der gewählten Fragestellung zulässig.

Was sagt die Ombudsstelle?

Die Ombudsstelle hält fest, dass das Vorgehen Sanija Ametis zwar verwerflich und in der Schwere beispiellos, eine journalistische Spurensuche nach den Folgen von politischen Grenzüberschreitungen jedoch legitim sei. «10vor10» werte die Schwere der vorgestellten Vergehen auch nicht, befrage aber eine Politologin dazu. Diese käme zum Schluss, dass der Rückhalt in der eigenen Partei für eine:n fehlbare:n Politiker:in zentral sei, sollte er oder sie die Empörung «aussitzen» wollen, so die Ombudsleute.

Direkte Vergleiche zwischen den Fällen würden weder von den Journalist:innen noch von der Expertin vorgenommen. Auch zur Haltung der Parteien bezüglich eines Ausschlusses der provozierenden Politiker:innen werde im Beitrag keine Position bezogen.

Somit sei die Sachgerechtigkeit laut der Ombudsstelle nicht verletzt. Der Sachverhalt in Bezug auf das behandelte Thema sei korrekt dargestellt worden. Die Meinungsbildung sei ohne Einschränkung möglich.

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